BRASILIENS NUKLEARPROGRAMM: DIE REGIERUNG WEHRT SICH GEGEN VERGLEICHE MIT IRAN ODER NORDKOREA 

Als der frühere brasilianische Wissenschafts- und Technologieminister Roberto Amaral kurz nach dem Amtsantritt des Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva Anfang 2003 einem britischen Sender sagte, Brasilien wolle auf keine wissenschaftliche Erkenntnis verzichten, und ausdrücklich die atomare Kernreaktion einschloss, wurden sogleich Befürchtungen laut, Lulas Regierung könne insgeheim an einem militärischen Nuklearprogramm arbeiten. Auf Nachfrage fügte Amaral sogar hinzu, Brasilien müsse Kenntnisse über die Funktionsweise der Atombombe haben. Gleichwohl versicherte er zugleich, Brasilien sei gegen die Atombombe und gegen jede Verbreitung von Atomwaffen. Präsident Lula rüffelte den Wissenschaftsminister für seine Äußerungen und entließ ihn, auch aus anderen Gründen, bei der ersten Regierungsumbildung zur Jahreswende 2003/2004. Amaral, der nicht über Fachkenntnisse in der Nukleartechnik verfügt, hatte die Äußerungen ohne Absprache mit der Regierung getan. 

Als sich Brasilien vor kurzem weigerte, Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) Einblick in bestimmte Phasen des Prozesses der Urananreicherung für seine zivilen Atomkraftwerke Angra I und II im Bundesstaat Rio de Janeiro zu gewähren, wurden vor allem im Ausland von neuem Befürchtungen laut, das Land wolle mit seinen Kenntnissen in der Nukleartechnik militärische Ziele verfolgen. Die Furcht war nicht unbegründet. In den siebziger Jahren, während der Militärdiktatur, vor allem unter Präsident Ernesto Geisel (1974 bis 1979), hatte Brasilien nicht zuletzt mit deutscher Technologie die zivile Nutzung der Kernenergie vorangetrieben. Das Programm kam wegen finanzieller Probleme nicht in dem geplanten Rhythmus voran. Dafür widmeten sich die Militärs um so eifriger einem nuklearen Geheimprojekt mit eindeutig kriegerischen Zielen, für das offenbar genug Gelder aus schwarzen Kassen flossen. Damals wurden im Bundesstaat Pará für nukleare Tests mehr als 300 Meter tiefe Löcher ausgehoben, die brasilianischen Militärs wollten Raketen und ein atomgetriebenes U-Boot bauen. Vor allem setzten sie auf die Entwicklung eigener Methoden zur Urananreicherung und konzentrierten sich dabei zuletzt auf die Zentrifugentechnik. Anfang der achtziger Jahre gab es sogar Verbindungen in den Irak. Einige Indizien sprechen dafür, dass beide Länder versuchten, gemeinsam eine Atombombe zu bauen. 

Obwohl das 1985 zur Demokratie zurückgekehrte Brasilien unter der Regierung des Präsidenten Collor de Mello (1990 bis 1992) endgültig allen militärischen Nuklear-Ambitionen abgeschworen und sogar als bislang einziges Land die Verpflichtung, Kernenergie nur für friedliche Zwecke einzusetzen, in die Verfassung geschrieben hat, ist es nie so recht den Verdacht losgeworden, es strebe insgeheim doch den Status einer Atommacht an. Daran hat auch die Unterzeichnung des Vertrags zur Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen nichts geändert, und das liegt vor allem daran, dass zwei Projekte des Atomprogramms der brasilianischen Militärs die Diktatur überlebt haben: das Vorhaben, ein U-Boot mit Nuklearantrieb zu bauen, und die Experimente der Marine auf dem Gebiet der Anreicherung von Uran. 





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