P. Osmar Gogolok
Politische Aspekte der Regierung Lula
Entsprechen die politischen Entwicklungen des Jahres 2003 den Hoffnungen, die eine breite Aktivierung und Bewegung in der brasilianischen Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten ausgelöst haben ?
1. Demokratisierung der Macht und Teilhabe des Volkes
Die Wahl Lulas im Oktober 2002 und sein Regierungsantritt am 1.1.2003 waren das Resultat eines Prozesses volksnaher Organisation, wie sie in den 70er Jahren begann, als angesichts der harten Repression gegenüber den Gruppen, die eine Veränderung durch bewaffnete Gewalt vorschlugen, immer weitere Kreise der brasilianischen Gesellschaft einen Weg der Veränderung anstrebten, der innerhalb der demokratischen Institutionen lag, und die die bloße Stimmverweigerung als Alternative zum Militärregime ablehnten. Die Arbeiterpartei PT war die hauptsächliche politische Führungskraft dieser Bewegung, die städtische Gewerkschaften und ländliche Bewegungen, Mitglieder der Kirchlichen Basisgemeinden und der unterschiedlichen pastoralen Institutionen miteinander verband, so wie Intellektuelle und Engagierte verschiedener linker Gruppierungen. Die Biographie Lulas ist beispielhaft für diesen Prozess, so dass viele sich auf die PT als die Partei Lulas beziehen. Der Neuheitscharakter eines Arbeiters im Präsidentenpalast kann nicht hoch genug eingeschätzt werden als Machtsymbol in der Vorstellungswelt des Volkes.
Selbstverständlich übernahm die Arbeiterpartei PT mit der Wahl ihres Kandidaten zum Präsidenten der Republik auch die Verantwortung für den Erfolg der Regierung. Nachdem sie mehr als 20 Jahre in der Opposition war, selbst wenn es wie bei der Kandidatur von Tancredo Neves und der Regierung Itamar Franco in einem Klima der Überparteilichkeit geschah, musste sie ihren Wahlkampf in zurückhaltender Form führen und eine breite Allianz anstreben, um ihren politischen Erhalt zu garantieren. Die Amtsübernahme von Henrique Mierelles als Präsident der Zentralbank mit einer weitgehenden Autonomie bei der Geldpolitik war ein klares Zeichen, dass die Regierung Lula die Richtung der Wirtschaftspolitik - wenigstens in der ersten Phase - nicht ändern würde.
Der gesamte Wahlkampf wurde so gestaltet, dass es sich um eine Übergangsregierung handeln sollte, um später einem anderen sozio-ökonomischen Modell auf der Grundlage einer nachhaltigen Entwicklung in der Form der Demokratie und der Umverteilung des Reichtums zu folgen. Man darf also nicht mehr von ihr erwarten als die Bedingungen und Voraussetzungen zu schaffen für die zukünftige Einführung dieses Modells. Obwohl es im Inneren der Sozialen Bewegungen verschiedene Formulierungen dieses Modells gibt, angefangen von einer ausgesprochen sozialistischen Variante bis zu einer bloßen Reform des herrschenden Kapitalismus, herrscht Einigkeit über die Abschaffung der aktuellen Situation, die die nationale Wirtschaft unter die Forderungen der neoliberalen Globalisierung stellt, und in der Forderung einer Wirtschaftsentwicklung mit dem Ziel einer echten Verteilung des Reichtums. Obwohl die Regierung sich weiterhin zu diesem Projekt bekennt, hat sie noch keinerlei Richtungsänderung vorgelegt, die diese versprochene Umorientierung anzeigen würde. Die Verpflichtungen und Bemühungen gegenüber der ärmsten Bevölkerung sind unbestreitbar, so die Programme «Null-Hunger» und «Erst-Arbeitsplatz», auch die Äußerungen der Minister des Zivilkabinetts, der Finanzen, der Planung, die erklären, dass sie das Terrain für die notwendigen Änderungen strategisch vorbereiten. In Schlüsselbereichen allerdings wie der Zentralbank und dem Finanzministerium haben die Technokraten über die Politiker die Oberhand und beide unterwerfen sich den Forderungen der großen Gläubiger. Dieser Widerspruch musste in der Partei und in den Sozialen Bewegungen, die sich durch sie vertreten fühlen, Wirkung zeigen.
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