Claudia Dahmen* 




LANDPASTORAL IN BRASILIEN
AM BEISPIEL VON
SCHWESTER DOROTHY STANG (1931-2005) 

EINLEITUNG 

Auf dem Weg zum Institut für Brasilienkunde sitze ich in Osnabrück an einer Haltestelle und warte auf den Überlandbus, der mich nach Mettingen bringen wird. Neben mir prangt ein riesiges Werbeplakat der größten deutschen Boulevard-Zeitung mit einem Foto von Mahatma Ghandi auf dem steht: „Jede Wahrheit braucht einen Mutigen, der sie ausspricht.“ Später fallen mir in anderen großen Städten weitere Plakate dieser Reihe auf. Es steht immer derselbe Satz geschrieben, aber mit je unterschiedlichen Bildern bekannter mutiger Menschen. Unwillkürlich denke ich an Schwester Dorothy Stang, die wegen ihres herausragenden Engagements in der Landpastoral zur Symbolfigur im Kampf um Land wurde, und stelle mir vor, dass auch sie auf solch einem Plakat abgebildet werden könnte. Die Gründe dafür sollen in dieser Arbeit dargestellt und analysiert werden. Um Dorothy Stangs Wirken in der Landpastoral Brasiliens und den damit einhergehenden Konflikten verstehen und nachvollziehen zu können, ist es erforderlich die Landfrage Brasiliens in ihrem historischen Kontext zu kennen. In diesem Zusammenhang soll auch die aktuelle politische und wirtschaftliche Situation von heute beleuchtet werden. Darüber hinaus wird in diesem ersten Kapitel nach der Haltung der offiziellen brasilianischen Amtskirche zu den Bodenbesitzstrukturen gefragt. Wie hat sich etwa im Laufe der Zeit ihr Denken und pastorales Handeln in Bezug auf die Landfrage verändert und welches Engagement ergab sich daraus? 

In Kapitel zwei und drei bekommt das Wirken der Kirche auf dem Land ein konkretes Gesicht, denn anhand von Leben und Werk der Ordensschwester Dorothy Stang wird die Landpastoral Brasiliens, speziell des Amazonasgebiets, aus der Perspektive der Armen und Marginalisierten, dargestellt und analysiert, wobei Kapitel zwei sich narrativ mit der Biografie der Person Stangs auseinandersetzt und Kapitel drei ihr Wirken, vor allem in den letzten Jahren ihres Lebens, in den Mittelpunkt stellt. Darin geht es speziell um ihren pastoralen Ansatz (Leitkategorien ihres Wirkens), wie sich dieser in konkreten Projekten niederschlägt (Modell der nachhaltigen Entwicklung) und welche traurigen Begleiterscheinungen sie dafür ertragen muss (Morddrohungen, Martyrium). 

Die vorliegende Arbeit greift ein Thema auf, das in Deutschland relativ unbekannt ist. Die pastorale Arbeit auf dem Land bei uns ist im Prinzip nicht vergleichbar mit der in Brasilien, da sie sich grundlegend verschiedenen Herausforderungen stellen muss. In Brasilien, allen voran im Amazonasgebiet, ist die Landpastoral primär mit gewalttätigen Landkonflikten konfrontiert. Daraus resultieren vielseitige Engagements, die sich über das klassisch pastorale Handeln hinaus, auch um die sozialen, rechtlichen und wirtschaftlichen Bedürfnisse der Menschen sorgen. Um dieses Thema kontextuell einzuordnen und Hintergründe zu verstehen, soll Kapitel eins Hilfestellung geben. Hierbei wurde auf brasilianische sowie auf deutsche Literatur zurückgegriffen. An dieser Stelle sei Herrn Hubert Frank von der Bibliothek Adveniat (Essen) und Pater Donatus (OFM) vom Institut für Brasilienkunde (Mettingen) für die Hilfe und Unterstützung bei der Recherchearbeit Dank gesagt. 

*Diplomarbeitan der Johannes Gutenberg - Universität Mainz, Fachbereich 01, Katholische Theologie und Evangelische Theologie, Katholisch-Theologische Fakultät, Prof. Dr. Michael Sievernich SJ 

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