Francisco de Aquino 




NEUE POLITISCHE LAGE
NACH DEN KOMMUNALWAHLEN
 

Im Oktober dieses Jahres fanden in ganz Brasilien Kommunalwahlen statt. Für die nächsten vier Jahre (2005-2008) wurden Präfekten/Innen und Gemeinderäte und Stadtverordnete in den 5.562 Kommunen oder Munizipien gewählt. 

Trotz des mehr formalen als realen Charakters der brasilianischen Demokratie, den enormen Zweideutigkeiten ihres Wahlprozesses und selbst trotz des immer noch hohen Anteils an Wahlkorruption, haben die Wahlen eine enorme Bedeutung für das politische Leben des Landes. Sie wirken sich direkt auf das Leben der Bevölkerung aus, sei es durch die verwaltungstechnische und gesetzgeberische Kompetenz oder Inkompetenz der Gewählten, sei es durch die Moral oder Unmoral ihrer politischen Optionen, ihrer Prioritätssetzungen und der Form, wie sie durch Regierungs- oder Gesetzesmaßnahmen die öffentlichen Anliegen behandeln. 

Wenn schon durch diese Gründe die Wahlen des Jahres 2004 eine enorme Bedeutung für das politische Leben haben - was sicher die Analyse und Reflexion der Wahlergebnisse rechtfertigt - so gewinnen sie eine ganz besonder Bedeutung im Zusammenhang des aktuellen politischen Kontextes Brasiliens, besonders hinsichtlich- des Ortes, der Haltung und der Perspektiven der Linken, vor allem der Arbeiterpartei (PT). Die Wahlen geschehen zu einem Zeitpunkt, da mit der Regierung Lula eine Umgestaltung des Kräfteverhältnisses im institutionellen Bereich vor sich geht. Eine Umgestaltung, die die wirtschaftlichen und politische Eliten des Landes begünstigt, die nun neben ihren traditionellen und offiziellen Vertretern auch mit der Unterstützung eines beträchtlichen Teiles ihrer historischen politischen Gegner rechnen können. Die volksnahen Bewegungen und Organisationen ihrerseits sind immer mehr distanziert ( oder werden distanziert) von den Parteien der Linken, die immer mehr mit der Regierbarkeit als mit der sozialen Gestaltung des Landes beschäftigt. Die Volksbewegungen verlieren fortschreitend ihren Handlungsspielraum im institutionellen-politischen Bereich, da sie nicht mehr mit ihren wichtigsten institutionellen Einflussinstrumenten der letzten Jahrzehnte rechnen können, der Arbeiterpartei. 

In dieser Analyse wollen wir vor allem die politischen Konsequenzen des “neuen” sozialen Ortes und der “neuen” Haltung der Linksparteien betrachten, vor allem die der Arbeiterpartei, für das politische Leben Brasiliens. Ort und Haltung, die nach den letzten Wahlen zu urteilen gestärkt wurden und sich in den nächsten Jahren und den nächsten Wahlen zu festigen scheinen. 

In einem ersten Ansatz stellen wir einige Wahlergebnisse vor. Danach wollen wir eine der Konsequenzen in der politischen Dynamik des Landes aufzeigen. Schließlich weisen wir auf einige Perspektiven hin hinsichtlich der Errichtung eines volksnahen demokratischen Projektes für Brasilien. 

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